Frankfurter Neue Presse | 30. Januar 2018 | Von Gisela Kirschstein

Die Wirtshausfastnacht gilt ja als die Urform der Mainzer Sitzungsfastnacht, nun erlebt das urige Format eine wahre Renaissance: In der Straßenbahn, im Weinkeller, in der Brauerei – in der Kampagne 2018 gibt es so viele ungewöhnlichen Fastnachtssitzungen wie nie.

„Fastnight“, „TRAM ba Zamba“ oder Fastnacht in der Brauerei – die Mainzer Fastnacht spielt zunehmend an neuen Orten und mit neuen Formaten. Vorreiter war die Mainzer „Stehung“, das Fastnachts-Rockkonzert des Gonsenheimer Carnevals Vereins (GCV) geht mittlerweile ins achte Jahr, und ist schneller ausverkauft, als die Macher gucken können. Das hat auch andere Fastnachtsvereine inspiriert: „Wir haben „den Alten“ einfach mal gesagt, geht, bitte“, erzählt Christoph Munck von der Mainzer Prinzengarde.

Die 1884 gegründete Mainzer Prinzengarde ist eine der ältesten Garden von Mainz, und die sind eigentlich die Hüter von Traditionen in der Fastnacht. Doch längst stecken die Garden voller junger Leute, die auch junge Formate wollen. Und so rockten bei der „Fastnight“ der Prinzengarde jüngst Ikonen wie Stimmungssänger Thomas Neger mit seiner Band mit Hardrock durch den Saal, und die Rotröcke machen gerade mit einer furiosen Rapnummer Furore: „Ich hab Uniform.“

„Du hast Pappnas’ – ich hab Uniform. Du hast mich gelle-gern, ich hab Uniform“, heißt es im Rap-Text. Frech, selbstironisch und mit Ghetto-Tonne präsentieren sich die Jungs im roten Rock: „Garde hat Ahnung von Blasen und Tuten“, heißt es da, und mit großem Selbstbewusstsein: „Ernst Neger war groß – und wir ham’ sein’ Erbe.“ Das Video – nach dem Vorbild von Jan Böhmermanns „Ich hab Polizei“ – wurde seit seiner Premiere vergangenen Donnerstag auf der Videoplattform Youtube bereits mehr als 40 000 Mal aufgerufen (siehe weiteren Text).

Schnell, jung, laut

lautet auch das Motto der Mainzer Prinzengarde bei ihrer „Fastnight“. Die „schnellste Sitzung von Mainz“ dauert gerade einmal drei Stunden und elf Minuten und erinnert mehr an ein Fastnachtskonzert: viel Musik, nur wenige Vorträge, und dazu viel Videoeinsatz. „Wir wollten eine schnelle, junge, knackige Sitzung“, erzählt Mitinitiator Munck: „Wenn man in die traditionellen Sitzungssäle schaut, ist der Altersdurchschnitt doch recht hoch.“

Die Prinzengardisten liebten durchaus die traditionelle Fastnacht, versichert Munck, aber genau deshalb wolle man die Fastnacht auch in die junge Generation tragen. Und so entwarfen ein paar junge Gardisten ein neues Konzept, begrenzten die Dauer auf 3,11 Stunden maximale Länge – und erlaubten keinen Beitrag länger als elf Minuten. „Wir schaffen es, mehr Bühnenaktive auf der Bühne zu haben, aber trotzdem schneller fertig zu sein“, sagt Munck. Vergangene Woche gab’s bei der 5. Ausgabe erstmals einen Livestream der Sitzung auf der Facebookseite der Garde – 360-Grad-Rundblick inklusive.

Die Prinzengarde ist nicht die einzige mit neuen Formaten: Die Garde der Prinzessin veranstaltet eine „Närrische und Musikalische Weinprobe“, der Verein „Fidelia Narhalla“ ließ sich schon Ende Dezember zum „TRAM ba Zamba“ in einer (fahrenden!) historischen Straßenbahn nieder und zieht im Januar zur Laternche-Sitzung ins Weinlager eines Weinguts.

Zum „Närrischen Kellergelächter“ treffen sich Ende Januar Aktive vom Mainzer Carnevals Verein (MCV), Dragonern und anderen Gruppen im Vinarmarium, einem historischen Weinkeller in der Mainzer Innenstadt, wo Weinliebhaber Weinfächer für die Lagerung ihrer Weinflaschen mieten können. Den Karneval Club Kastel (KCK) wiederum zieht es in die neue Event-Brauerei Kuehn Kunz Rosen: Dort will der große Fastnachtsverein eine echte Kneipenfastnacht feiern – mit eigenem Kampagnenbier „KCK-Helles“, gebraut vom Vereinspräsidenten persönlich. „Wir wollen die echte Meenzer Traditionsfastnacht in der Wirtschaft wieder aufleben lassen“, sagt Dirk Loomans, „wir stellen alles auf den Kopp.“

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